KZ-Gedenkstätte Flossenbürg

„Was dort passiert ist, ist einfach nur grausam.“

„Was wird geschehen, wenn wir einmal nicht mehr da sind und wie wird die Erinnerung, unsere Erinnerung, weitergegeben an zukünftige Generationen?“ – Mit dieser Frage schließt der Zeitzeugenfilm, der am Ende des Rundgangs durch die Gedenkstätte Flossenbürg gezeigt wird. Dieser Film geht – vor allem wenn man kurz vorher einen Rundgang durch das ehemalige Lager gemacht hat – sehr unter die Haut. Und man fragt sich: Wie kann ein Mensch eine solche Hölle überstehen?

Vor dem ehemaligen Lagertor mit der Aufschrift "Arbeit macht frei"

Einer von ihnen ist Jack Terry. Er hieß ursprünglich Jakub Szabmacher und war bei der Befreiung des Lagers Flossenbürg mit 15 Jahren der jüngste Häftling. Er hat nur deswegen überlebt, weil ihn ein älterer Mithäftling vor dem Todesmarsch gerettet hat. Zuerst versteckte er ihn in dem Tunnel zwischen Wäscherei und Küche, später gemeinsam mit einem Kapo in der Typhus-Abteilung des Krankenreviers. Dort war er vor der SS in Sicherheit.

Betroffenheit im ehemaligen Häftlingsbad

Was Jack Terry und seine Mithäftlinge in Flossenbürg tatsächlich durchmachten, konnten die Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen bei ihrem Besuch der KZ-Gedenkstätte im Mai nur erahnen. Wie es dort wirklich zuging, entzieht sich der menschlichen Vorstellungskraft.

Für die circa 84000 Männer und 16000 Frauen aus über 30 Ländern, die zwischen 1938 und 1945 im KZ Flossenbürg und seinen Außenlagern inhaftiert waren, begann die Entmenschlichung und Verwandlung in eine Nummer im Untergeschoss der Wäscherei. Dort musste sich alle nackt ausziehen und ihre persönlichen Sachen abgeben. Anschließend hatte sich jeder einer schmerzhaften und entwürdigenden Ganzkörperrasur zu unterziehen. Diesen Vorgang beschrieb der italienische Häftling Vittore Bocchetta mit den Worten: „Hier haben wir nicht nur die Kleidung verloren, sondern auch unsere Seele.“

Lagerbordell für Funktionshäftlinge

Dann ging es in das Häftlingsbad, wo die Gefangenen regelrecht gefoltert wurden. Das Wasser aus den Duschköpfen war entweder kochend heiß oder eiskalt. Die Kapos richteten nicht selten einen Feuerwehrschlauch auf die Gefangenen, so dass viele von ihnen stürzten und sich verletzten. Nach dieser Tortur erhielten sie die gestreifte Lagerkleidung mit einer Nummer und einem farbigen Winkel, der sie einer bestimmten Gruppe zuordnete.

Erinnerungen an den Appellplatz

Jeglicher Rechte beraubt, wurden sie anschließend einem Block zugeteilt. Dort waren sie tagtäglich schutzlos der Willkür der SS und ihrer Helfer – den Kapos – ausgeliefert. Diese Gruppe von Häftlingen rekrutierte sich aus Berufsverbrechern und behandelte die Mitgefangenen mit äußerster Brutalität. Je zufriedener die SS mit ihrer Arbeit war, desto mehr Vergünstigungen gab es für sie. Sie bekamen mehr zu essen, hatten ein eigenes Bett, Kleidung zum Wechseln und durften das Lagerbordell nutzen. Für diese Einrichtung holte man junge Frauen aus dem KZ Ravensbrück. Sobald sie schwanger wurden, verloren sie ihren Wert und wurden erschossen.

Auf der Treppe zum Krematorium

Der Tag begann und endete auf dem Appellplatz. Hier wurden die Gefangenen gezählt – auch die Toten. Hier mussten die Häftlinge oft stundenlang stehen, im Sommer bei sengender Hitze, im Winter bei Eiseskälte und Schnee. Sie hatten keine Mützen, keine Handschuhe oder dicke Jacken. Sie trugen lediglich einen Drillichanzug ohne Unterwäsche, ihre nackten Füße steckten in Holzschuhen.

Sehr nachdenklich wurden viele Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zum Krematorium im „Tal des Todes“. Die Beseitigung der Toten war ebenso wie in anderen Konzentrationslagern Aufgabe der Häftlinge. Der Ablauf hatte nichts mit einer normalen Einäscherung zu tun. Ohne Sarg wurden oft mehrere Leichen gleichzeitig in den Ofen geschoben. Der Großteil der Asche wurde in Gruben gekippt, in einzelnen Fällen in Urnen gefüllt und an die Angehörigen verschickt. Als das Krematorium die hohe Zahl an Leichen ab Ende 1944 nicht mehr aufnehmen konnte, wurden sie unter freiem Himmel verbrannt.

Mindestens 30.000 Menschen waren im Lager-Komplex Flossenbürg ums Leben gekommen. Die meisten von ihnen – etwa 25.000 – starben ab Herbst 1944. Sie verhungerten, erfroren oder gingen an Krankheiten zugrunde. Totkranke wurden sich selbst überlassen. Viele wurden von SS-Männern willkürlich erschlagen oder erschossen. Andere fielen Tötungsaktionen zum Opfer oder fanden im Steinbruch den Tod. Dort mussten die Häftlinge bei jedem Wetter Erde abtragen, Granitblöcke absprengen, Loren schieben und Steine schleppen. Ein Arbeitstag im Steinbruch dauerte zwölf Stunden. Unterbrochen wurde er nur durch eine kurze Pause, in der die Häftlinge eine dünne Suppe bekamen.

Bebauung des Lagers nach dem Krieg

Auch im Steinbruch waren die Häftlinge vor den Strafmaßnahmen der SS nicht sicher. Sie wurden gezwungen, stundenlang im Kreis zu gehen und Steine zu schleppen. Einige Aufseher übergossen die Steinstufen im Winter mit Wasser, damit die Häftlinge mit ihren Holzschuhen auf dem gefrorenen Boden ausrutschten.

Die Schülerinnen und Schüler waren sichtlich bewegt von dem was, sie bei ihrer Exkursion nach Flossenbürg gesehen und gehört haben. Obwohl relativ wenig vom ursprünglichen Lager erhalten ist, bekommt man auf dem Weg durch die Gedenkstätte eine ungefähre Ahnung von dem Grauen, das sich hier abgespielt hat.

Gang über den Ehrenhain

Die Information, dass nach dem Krieg auf dem ehemaligen KZ-Gelände Baracken und später Wohnhäuser gebaut wurden, stieß bei vielen Jugendlichen auf Unverständnis. Doch die Vertriebenen aus Böhmen und Schlesien waren froh, eine neue Bleibe zu finden, und nahmen das Angebot der Gemeinde und des Landkreises gerne an.

Büste von Dietrich Bonhoeffer

Einige Schülerinnen und Schüler suchten nach dem Gang durch den Ehrenfriedhof die Sühnekapelle auf, wo eine Büste vor dem Altarraum an den Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer erinnert. Er war kurz vor Kriegsende im KZ Flossenbürg ermordet worden, sein in der Gefangenschaft entstandenes Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ ist den meisten Christen bekannt.

Mit dem Besuch der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg setzten die Schülerinnen und Schüler der Marienrealschule ein Zeichen gegen das Vergessen. Das, was dort geschehen ist, muss von Generation zu Generation weitergetragen werden. Dazu Lukas Mühldorfer: „Es ist richtig und wichtig, dass junge Leute sehen und mitbekommen, was in Flossenbürg passiert ist.“ Dass Besucher des ehemaligen Lagers auch widerstrebende Gefühle hervorrufen, zeigt die Äußerung von Leonhard Hiegl: „Teilweise war es ein komisches Gefühl, dort zu stehen, wo auch KZ-Insassen standen.“

Die Schülerinnen und Schüler sowie die sie begleitenden Lehrkräfte bedanken sich beim Landratsamt Cham, das die Kosten für die zwei Busfahrten übernommen hat.

Text: Christl Hastreiter

Fotos: Christl Hastreiter, Andreas Schmitt, Franziska Schrötter